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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 31.07.2007
Aktenzeichen: 27 W 31/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 116 Abs. 1 Nr. 1
Die Aufbringung eines Prozesskostenvorschusses ist für einen Insolvenzgläubiger - unabhängig von sonstigen Vergleichsrechnungen - auch dann zumutbar, wenn der infolge der Prozessführung für ihn zu erwartende Mehrerlös ein Vielfaches (hier das 6Fache) des erforderlichen Vorschusses beträgt (Ergänzung zu Senat, NZI 2006, 42 und Senat, ZIP 2005, 1711).
Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

1. Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung dargelegt, dass es dem Freistaat Bayern zuzumuten ist, die Kosten des Verfahrens vorzuschießen, so dass die Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht vorliegen.

Denn der Antragsteller geht laut Angabe in der Klageschrift von einem Grundstückswert von 72.000 € aus. Die für die Prozessführung vorzuschießenden Kosten erster Instanz betragen damit 5.561,80 € (2,5 RA-Gebühren + 20 € Auslagenpauschale + MwSt. + 3 Gerichtsgebühren). Selbst wenn bei einer Verwertung des Grundstücks nach erfolgreicher Klage lediglich 70 % des Grundstückswertes (Wertgrenze gemäß § 74 a Abs. 1 ZVG) realisiert werden könnten und hiervon 5.000 € pauschal für Zwangsversteigerungskosten in Abzug gebracht werden, bliebe ein Erlös von ca. 45.000 € für die Insolvenzmasse, von dem unbestritten ca. 3/4 und damit mehr als 33.000 € dem Freistaat Bayern zugute kämen. Der im Erfolgsfalle der Klage zu erwartende Mehrerlös liegt damit etwa bei dem 6fachen der vorzuschießenden Kosten. Bereits hieraus folgt die Zumutbarkeit eines Vorschusses.

a) Der Senat hat allerdings in der Vergangenheit in ständiger Rechtsprechung, auch in mehreren veröffentlichten Beschlüssen (u.a. Beschluss vom 9. 6. 2005 - 27 W 44/05 - = NZI 2006, 42; Beschluss vom 21.6.2005 - 27 W 17/05 - = ZIP 2005, 1711), die Auffassung vertreten, dass es für die Zumutbarkeit der Aufbringung des Vorschusses darauf ankommt, in welcher Höhe der Insolvenzgläubiger Vorschüsse aufzubringen hätte, wenn er den auf ihn voraussichtlich entfallenden Verbesserungsbetrag selbst in einem Rechtsstreit verfolgen würde. Der Senat hält daran trotz der sowohl vom BGH in einem obiter dictum in der Rechtsbeschwerdeentscheidung zur letztgenannten Senatsentscheidung (BGH, Beschluss vom 06.03.2006 - II ZB 11/05 - = ZIP 2006, 682) und auch im Schrifttum (vgl. beispielhaft Gelpcke, ZIP 2006, 1722) verschiedentlich geäußerten Kritik im Grundsatz fest.

Der Senat hat die von ihm entwickelten Grundsätze auch nach der genannten Rechtsbeschwerdeentscheidung des BGH in zahlreichen weiteren Fällen angewandt, dabei in den Fällen, in denen hiernach die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen war, jedoch zusätzlich die Kontrollüberlegung angestellt, ob die vom BGH a.a.O. geforderte "wertende Abwägung der Gesamtumstände des Einzelfalles" zu einem anderen Ergebnis führen würde. Dies war in keinem einzigen Falle so. Es hat sich im Gegenteil gezeigt, dass in mehreren Fällen, in denen nach der Berechnungsmethode des Senats der notwendige Vorschuss zwei oder drei Hauptgläubigern gemeinsam zuzumuten war, nach der "wertenden", aber quantitativ nicht näher bestimmten Auffassung des BGH, nach der der Vorschuss dann zumutbar ist, wenn der voraussichtliche Verbesserungsbetrag für den Gläubiger lediglich "deutlich" über dem erforderlichen Vorschuss liegt (so z.B. BGH, Beschluss vom 19. Juni 2006 - II ZR 312/05 - ), der Vorschuss bereits einem einzelnen Gläubiger alleine zumutbar war. Die Rechtsprechung des Senats erleichtert damit dem Insolvenzverwalter den Zugang zur Prozesskostenhilfe, was auch dem Ziel des BGH, wonach die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Insolvenzverwalter die Regel und nicht die Ausnahme sein sollte, entspricht.

Der Senat ist auch weiterhin der Auffassung, dass hiermit den Insolvenzverwaltern und auch den in Betracht kommenden wirtschaftlich Beteiligten zusätzliche Rechtssicherheit verschafft werden sollte, in welchen Fällen ein Vorschuss von Insolvenzgläubigern gefordert werden kann bzw. entrichtet werden muss. Zumindest einzelne Elemente der Berechnungsgrundsätze des Senats haben im Schrifttum auch Zustimmung gefunden (vgl. z.B. Küpper/Heinze, ZInsO 2007, 680, die sich der Auffassung anschließen, dass Kleingläubiger mit weniger als 5 % Anteil am Gesamtvolumen der festgestellten Forderungen von vornherein auszunehmen sind). Ferner haben sich die z.T. geäußerten Praktikabilitätsbedenken in der Spruchpraxis des Senats ebenfalls nicht bestätigt. Die Anzahl der für einen Vorschuss in Anspruch zu nehmenden Insolvenzgläubiger, hat sich in den Fällen, in denen Prozesskostenhilfe abgelehnt wurde, nahezu ausnahmslos zwischen zwei und vier bewegt. Im Übrigen haben mehrere der im OLG-Bezirk Hamm tätigen Insolvenzverwalter in ihren Prozesskostenhilfe-Anträgen nach Veröffentlichung der Senatsbeschlüsse bereits von sich aus eine Berechnung nach den Grundsätzen des Senats vorgenommen, um die Bewilligungsvoraussetzungen darzulegen - wie der Senat insbesondere auch in Beschwerdeverfahren feststellen konnte, in denen es lediglich um die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage ging. Auch das belegt nach Auffassung des Senats die Handhabbarkeit der von ihm entwickelten Grundsätze.

b) Gleichwohl veranlasst der vorliegende Fall den Senat zu einer Weiterentwicklung seiner Grundsätze, weil er in anschaulicher Weise belegt, dass es Fälle gibt, in denen der zu erwartende Mehrerlös für einen Insolvenzgläubiger so deutlich über dem Betrag der vorzuschießenden Kosten liegt, dass es einer weiteren Vergleichsrechnung mit zahlreichen Rechenschritten für die Bejahung der Zumutbarkeit nicht bedarf. Die Zumutbarkeit ist nach Auffassung des Senats vielmehr auch dann zu bejahen, wenn der zu erwartende (Mehr-)Erlös ein Vielfaches des zu leistenden Vorschusses beträgt und auch der absoluten Höhe nach die Finanzkraft des Insolvenzgläubigers nicht in besonderem Maße fordert. Handelt es sich wie hier um das 6Fache des zu erwartenden Erlöses, so ist das auf jeden Falle ausreichend (Küpper/Heinze, a.a.O., wollen das Doppelte des Vorschusses genügen lassen). Dass ein Vorschuss von etwas mehr als 5.500 € die Finanzkraft des Fiskus nicht überfordert, liegt auf der Hand.

Etwas anderes gilt auch nicht aufgrund der Kostenfreiheit gemäß § 2 Abs. 1 GKG, weil diese Vorschrift nicht für die Auslegung des § 116 Abs. 1 Nr. 1 ZPO maßgebend ist (vgl. BGH, Beschluss vom 24.03.1998 - XI ZR 4/98 - = VersR 1999, 206, Rdnr. 6).

2. Davon abgesehen fehlt dem Klageantrag zu 1. auch die hinreichende Erfolgsaussicht i.S.v. § 114 ZPO, weil der Rückgewähranspruch aus einer Insolvenzanfechtung bei anfechtbarer Grundstücksveräußerung auf Rückauflassung und Eintragung des Schuldners als Eigentümer im Grundbuch geht (vgl. BGH, Urteil vom 22.03.1982 - VIII ZR 42/81 - = ZIP 1982,857, Rdnr. 8; Gottwald/Huber, Insolvenzrechtshandbuch, 3. Aufl. 2006, § 51 Rdnr. 31).

II. Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf §§ 127 Abs. 4 ZPO, 3 Abs. 2 GKG nicht veranlasst.

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